Meine Geschichte in Kurzform
Irgendwie hatte ich mich schon immer irgendwie anders auf dieser Welt gefühlt, wie eine exotische Pflanze, wie von einem anderen Stern, von einem fremden Planeten. So beschreiben es viele Hochsensible, so ging es auch mir. Doch was ist Hochsensibilität genau?
Meine Eltern bezeichneten mich als schwer zufriedenstellendes Schreibaby, das schlecht einschlief. Auch als Kind wurde es mit der „Einschlafrei“ nicht besser. Hinzu kam, dass ich mich oft stundenlang in mein Zimmer zurückzog, um Tagebuch oder Geschichten zu schreiben. Unter anderem verfasste ich eine Geschichte von einem indischen Straßenkind, ohne zu wissen, dass ich später als junge Frau tatsächlich in einem Straßenkinderprojekt in Mumbai arbeiten würde. Ich stellte mir vor, Modedesignerin zu werden und entwarf eine Skizzenmappe mit ausgefallenen Kleidungsstücken. Sobald ich lesen konnte, verschlang ich ein Buch nach dem anderen und tauchte in geistige Welten ab. Die reale Welt mit ihrem Leid schien mir zu unerträglich. Filme, die meine Familie am Abend schaute, überforderten mich aufgrund der Brutalität und schnellen Bilderfolgen. Dafür musste ich mir den Vorwurf gefallen lassen, dass ich mich selbst ausschließen und aus der „Mücke einen Elefanten“ machen würde.
Fakten zu HSP (hochsensible Persönlichkeiten)
Später im Studium mit fast 20 Jahren stieß ich „zufällig“ auf das Buch „Der sensible Mensch“ von Samuel Pfeifer. Es war, als würde sich mir eine Tür öffnen, eine Tür zu mir selbst. Ein ganzes Buch beschrieb in seitenweisen Einzelheiten mich als Person! Endlich verstand ich, wer ich war und warum ich scheinbar nicht in diese Gesellschaft hineinpasste. Ich realisierte, dass ich nicht psychisch krank war, sondern wie c.a. 20% der Bevölkerung einfach nur eine ererbte hochsensible Charaktereigenschaft besitze. Hinzu kommt meine Introvertiertheit, die ebenfalls den Großteil (70%) aller Hochsensiblen betrifft. Dass auch mein Gehirn anders „verdrahtet“ ist, sowie die Neurotransmitter- und Hormonfunktion anders funktioniert als bei den meisten Menschen, das erfuhr ich erst sehr viel später.
Stärken und Schwächen der Hochsensibilität
Es handelt sich bei der Hochsensibilität (HSP) um eine Persönlichkeitseigenschaft, die seit Elaine Aron (1997) immer mehr wissenschaftlich erforscht wird. Typisch dafür ist, dass ich (und alle HSPler) alle Sinneseindrücke intensiver wahrnehme, sie tiefgreifender und intensiver verarbeiten. Das reiche Innenleben ist geprägt von starken Gefühlsreaktionen und einer hohen Empathiefähigkeit (Dies sind die vier Aspekte der Hochsensibilität nach Aron). Ich brauche daher Zeiten der Stille, Einsamkeit und inneren Reflexion so dringend, wie die Luft zum Atmen. Danach geht es mir wieder gut und ich kann die Anforderungen des Alltags neu bewältigen.
In einem Sonnenuntergang spüre ich Gottes tiefe Liebe zu mir.
Ein Musikstück rührt mich zu Tränen an und weckt tiefe Sehnsüchte.
Ein Kunstwerk lässt mich über mein Leben nachdenken.
Ich empfinde die Gefühle meiner Kinder, als wären sie meine eigenen.
Ich erahne, was als nächstes passiert.
Ein Satz kann mich den ganzen Tag beschäftigen.
Gleichzeitig kämpfe ich damit, dass die Welt zu laut auf mich einprasselt, zu schnell, zu vollgestopft mit Terminen und Aufgaben, zu viel Leid und Schmerz, die unerträglich sind. Oft scheint es unmöglich, diese aufdringlichen Reize abzustellen. Sie verfolgen mich, nehmen mich ein. Was andere vielleicht genießen - z.B. in ein volles Café zu gehen und sich gleichzeitig auf ein Gegenüber zu konzentrieren, ist mir kaum möglich. Alle Gespräche um mich herum höre ich gleichzeitig mit. Es kommt mir so vor, als hätte der Rest der Menschheit Watte in den Ohren. Warum zucken sie nicht zusammen? Warum sehen sie durch eine verdunkelte Sonnenbrille und nehmen nicht wahr, wie wunderschön die Rose aufgeblüht ist und die kleine Raupe sich vorwärts räkelt?
Anders, nicht besser
Nein, ich bin wie alle Hochsensiblen ganz bestimmt kein besserer Mensch – gerne würde ich müheloser mit allen Anforderungen zurechtkommen, aktiver sein, all die Bedürfnisse der Menschen um mich mit Leichtigkeit erfüllen, mich besser abgrenzen und meinen Perfektionismus, sowie das "soziale Sättigungsgefühl" vor der Haustüre abgeben. Nicht besser, nur anders. Ich habe gelernt, mich in dieser Andersartigkeit wahr- und ernst zu nehmen. Scheinbar wollte Gott mich genau so.
Eine Orchidee blüht nur unter idealen Bedingungen. Zu viel Wasser lässt die Wurzeln verfaulen, zu wenig trocknet sie ein. Jeden zweiten Tag, kontinuierlich ein kleines Schlückchen an einem
hellen, sonnigen Ort, mit spezieller Erde… Ja, sie ist anspruchsvoll diese Orchidee, doch ihre Blüten sind wunderschön und zart. Ich kenne meine Bedingungen. Ich möchte aufblühen in Schönheit und
Kraft und das Leben genießen. Es ist das einzige, das ich hab.
Hochsensibilität ist, das Leben mit dem großen Löffel zu essen!
Du fühlst, du spürst, du erlebst, du nimmst wahr,
die Dinge dringen zu dir durch, in dich ein, du bist verbunden mit allem um dich herum.